Montag, 30. Juni 2014

Papua Niugini - Reisen ist tödlich für Vorurteile

05.06.2014 - 25.06.2014

Da wir den Weg Richtung Osten eingeschlagen haben, kommt nach Papua West folgerichtig Papua Ost. Das Land, das darauf liegt, heißt Papua-Neuguinea (PNG). Es zu durchreisen verursachte etwas Bauchkribbeln. Warum? Einfach mal beim Auswärtigen Amt vorbeisehen (sonst versteht Ihr möglicherweise auch den folgenden Reisebericht nicht). Im Gegensatz zu Osttimor konnten auch der "Lonely Planet" (Reiseführer) oder andere Reisende die hier beschriebene Situation nicht wesentlich aufhellen. Aber dort leben doch auch Menschen, die damit klarkommen (müssen)? Die Neugier siegte. Wir wollten es wissen.
Eine Seefahrt, die ist lustig...
Schon der Grenzübertritt gestaltete sich anders als gedacht. Die Landgrenze war gesperrt - es gab Schießereien (zwischen OPM und der indonesischen Armee). Also mußten wir ein Boot über die Seegrenze nehmen. Was Boot genannt wurde, war ein Boot. Man könnte sagen, ein größeres Ruderboot, mit überdimensionierten Außenbordern und wahrscheinlich auch überdimensionierter Beladung (13 Leute). Leider fuhren wir den aufziehenden Wolken nicht davon, sondern geradewegs hinein. Das hatte dann was von Achterbahn mit Schlaglöchern oder so. Und war naß. Gut wer Achterbahn-tauglich ist...
Erster Eindruck von Vanimo, PNG
Aber der Bootsführer war gut und nach wenig mehr als 2 Stunden waren die 80 km nach Vanimo geschafft.
Wir wurden ausgesprochen nett empfangen. Ein junger Mann führte uns zur Immigration, der Beamte besorgte uns eine Unterkunft im katholischen Gasthaus und den Transport dahin (es ist am Rand der Stadt). Und wir bekommen Vanimo erklärt: Vanimo ist sicher. Wir sollen aber bitte vor Einbruch der Dunkelheit zurück sein. Alles ist relativ.
Vanimo war ein guter Einstieg in PNG. Wenn auch ohne besondere Sehenswürdigkeiten, es ist eine sehr schöne Lage an einer Halbinsel. Mit freundlichen und hilfsbereiten Menschen. Wirklich interessant ist Vanimo nur für Surfer - es ist das Surfparadies von PNG.
Bucht von Vanimo und ein Bananenboot
Die Weiterreise stand an. Ökonomisch sinnvoll sind nur Jeep oder - Boot. Wir fragten herum. Jeep ist angeblich unzuverlässiger und gefährlicher. OK, einen Tod muß man ja sterben. Wir entschieden uns nochmal für's Boot (ein sogenanntes Bananenboot, nicht zu verwechseln mit Bananaboot). Es begann bei schönstem Wetter. 7 Stunden später war der Himmel wieder schwarz und die Wellen zum Surfen gut geeignet. Nur nicht so gut für überladene Passagierboote. Wir kamen heil in Aitape an, aber durften wieder die abgesoffenen Rucksäcke trocknen.
Aitape ist eine deutsche Gründung (unsere Ur-Ur-Großväter waren hier vor dem WK1 aktiv) und befindet sich auch in paradiesischer Lage.
Aitape verbreitet Wohlfühlatmosphäre - das ist nicht nur relativ, sondern absolut. Die Leute sind freundlich untereinander und zu uns - wenn überhaupt kennen wir das in Deutschland nur von der Nahe. Wir blieben einen Tag länger und genossen es.
Unsere "Reisegruppe" im Sammeljeep
Den nächsten Abschnitt legten wir mit einem (Sammel) Jeep zurück. Der war natürliche auch voll, aber außer 33 Flußdurchfahrten (plus 36 Brücken) auf etwa 150km Küstenabschnitt (es ist Regenwald!!) gab es nichts besonderes.
In Wewak war dann erstmal Schluß mit lustig. Es war Feiertag (Geburtstag der Queen), die Straßen leer. Unser Jeep hielt vielleicht 100m entfernt vom Hotel. Wir wollten das laufen - der Jeep fuhr bis vor's Haus hinter uns her. Im Hotel war gerade keiner da, und so standen wir etwas ratlos da. Ein Security-Mann von einem gegenüberliegenden Lagerplatz kam angerannt und sagte uns, wir sollten schnellstens die Straße verlassen, es wäre zu unsicher für uns.
Unser Lieblingsimbiß in Wewak
Zwischendurch hielt noch ein anderes Auto an, der Fahrer fragte, ob alles OK wäre. Also verbrachten wir den Nachmittag auf dem Lagerplatz, bis der Hotelbesitzer wieder kam. Aha. Ein Amerikaner, den wir kennen, berichtete aus der Gegend seines Hotels gleiches. Ein Vorgeschmack auf die Problemstädte PNG's?
Am nächsten Tag waren die Straßen wieder belebt, wir setzten uns in ein Sammeltaxi und fuhren ins Zentrum. Die an der Haltestelle herumsitzenden Jungs mit ihren Macheten (haben hier viele dabei) hielten uns auch das Richtige an - kostenlos.
Außer einem kleinen Diebstahlversuch (der erste auf der Reise) war vom Stadtbummel nichts besonderes zu vermelden. Die Leute sind immer noch hilfsbereit, aber die Stimmung ist angespannt und die Wohlfühlatmosphäre eines Aitape war dahin. Da aber ansonsten nichts böses passierte, sind wir wieder mutiger geworden - wir haben auch abends Bier geholt auf der Straße vorm Hotel.
Wewak liegt, natürlich, bildschön am Meer und es gibt Sandstrände kilometerweit.
...und sein spiritueller Inhalt...
Spirithaus von Palembai...
Für uns aber war Wewak Ausgangspunkt zur Organisation einer Tour an den Sepik. Der Sepik ist der größte Fluß von PNG und bekannt für seine große Vielfalt an Kultur und traditioneller Lebensweise.
Einen Guide (*1) haben wir leicht gefunden - wir hatten eine Empfehlung einer Engländerin und oh Wunder, er hatte auch Zeit für uns. Touristen treten sich hier nicht tot. Wir gingen in einem (reichlich motorisierten) Einbaum auf Tour.
Attraktion hier sind die Dörfer entlang des Sepik, die neben dem adaptierten christlichen Glauben ihre Jahrhunderte alten Bräuche pflegen.
...und gegenüber die Kirche
So gibt es in jedem Dorf einen Haus-Tambaran, ein spezielles Haus, in dem die Geister leben. Dort findet man Trommeln, Masken und Kostüme, die zu Festlichkeiten benutzt werden. In einigen Häusern gibt es uralte Figuren, die nicht fotografiert werden dürfen. Man sollte die Geister nicht verärgern, die sind sehr mächtig hier... Daran ändert auch nichts, daß die Gegend Mobilfunk-abgedeckt ist und nebenan eine Kirche steht.
Auch interessant: traditionelle Märkte, auf denen Produkte zwischen den Dörfern am Fluß und denen im Inland getauscht werden - vorwiegend Sago und Gemüse gegen Fisch. Wir haben aber auch oft Geld den Besitzer wechseln gesehen, und Telefonkarten oder Batterien gibt es auch.
Reges Markttreiben
Und: von Februar bis April ist Land unter: der Sepik verwandelt die Gegend in eine Seenlandschaft. Auch deshalb stehen alle Häuser auf Stelzen, und die Wasserstände sind noch deutlich zu sehen. So verbrachten wir 8 Tage am Sepik: Kultur, Lebensweise, Trekking, Fischen, Baden und Tierbeobachtung.
Hier gab es auch keine "Ausgangssperre". In den Dörfern kann man sich gefahrlos bewegen.
Doch da ist noch was, was auf den Bildern vom Sepik nicht zu sehen ist: Es ist um die 32°C warm (nachts auch schon mal nur 25°C) bei einer Luftfeuchtigkeit von mindestens 85%, und Mücken, die sich einen Scheiß drum scheren , daß wir uns mit Autan eingeschmiert haben. Das sind ziemlich gewöhnungsbedürftige Lebensbedingungen.
Der Sepik bei Palembai
Zurück in Wewak zogen wir in ein Guesthouse in der Stadt ein. Und wurden wieder umsorgt wie kleine Kinder: kaum ein Schritt außerhalb des Guesthouses, wo nicht irgendjemand mit uns kam. Schafften wir es, unsere Babysitter abzuschütteln, sind wir trotzdem nur auf nette Leute getroffen. Mittlerweile waren wir bekannt: man hatte tags zuvor neben uns im Bus gesessen, oder sich vor 2 Tagen schon mal mit uns unterhalten, oder, oder. Warum man uns ständig begleiten wollte, wir wissen es nicht.
Port Moresby, die auch beim Auswärtigen Amt erwähnte Hauptstadt, hätten wir auslassen können, indem wir einfach am Flughafen umgestiegen wären. Aber wir hatten in Wewak einen (pensionierten) Offizier der PNG-Armee kennengelernt. Er wohnt in Port Moresby und wollte uns die Stadt zeigen. Und siehe da, auch Port Moresby ist eine Stadt wie viele andere, in der das tägliche Leben pulsiert. Wenn auch mit Stadtteilen, in die auch Einheimische nie gehen würden, auch tagsüber nicht.
Und wir haben erfahren, daß auch für modern lebende und welterfahrene PNGer die traditionellen Strukturen sehr viel zählen. Unser Bekannter hat auch einen guten Teil der Welt bereist. Trotzdem sind die Entscheidungen seines Clans (er stammt vom Sepik) für ihn bindend.

Wir haben einige Male nachgefragt, wer denn die Raskols (die Banditen) sind, um deren Bekanntschaft wir erfolgreich herumgekommen sind. Die meisten Antworten waren, daß das Leute sind, die auf der Straße leben und auch ein Stück vom Wohlstandskuchen abhaben wollen - und sich den auf ihre Art holen. Und sie sind sich auch bewußt, daß in Ihrem Land die Verteilung der Reichtümer sehr ungleich ist. Deshalb unsere Empfehlung: Vielleicht sollte man all den Befürwortern von Niedrigstlohn, weiteren Sozialhilfekürzungen oder deren Abschaffung eine Reise nach PNG verordnen. Da können sie sich schon mal die Zukunft ihres Landes ansehen und den Stacheldraht für Ihre Villa auf Vorrat legen.



(*1) Hat von unserer geneigten Leserschaft jemand Lust auf eine Sepiktour bekommen? Wir können unseren Guide allerbesten Gewissens empfehlen: Joseph Kone aus Ambunti - die Kontaktdaten sind auf Google+ zu finden (wir haben die Daten natürlich auch).




Diese Jungs "fingen" uns weg, um Ihr Rugbyspiel anzusehen (Aitape) 
Das hieß "Rugby Touch" und ist gewaltfrei - keine Keilereien auf dem Spielfeld
"Krokodilhaut" - dieses Ritual wird auch heute noch durchgeführt (Mittelsepik)
Zum Glück ein spirituelles Krokodil (beisst nicht mehr)
Erste Stufe der Sagoherstellung
Letzte Stufe (Sagoverwertung): Sago mit Fisch
Körperhygiene typisch für die Sepikregion (auch für Touristen)
Paradiesvogel


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